4.

Sharleen balancierte die Teller von der Armbeuge bis zur Handfläche und hielt in der anderen Hand die Kaffeekanne. Sie bediente die drei Polizisten mit klopfendem Herzen.

»Also Jungs«, tat sie betont forsch, »Schweinefleisch mit Kartoffelpüree für dich, Chili und Zwiebeln hier und gebratenes Hähnchen für den gutaussehenden in der Ecke.« Sie stellte die Gerichte vor die Gäste, wich aber allen Blicken aus. Die Männer stellten schweigend die Teller um, ohne Sharleen darauf hinzuweisen, daß sie sich geirrt hatte. Und Sharleen hoffte, daß Jake ihren Irrtum nicht registrierte. Norden, Süden, Osten, Westen. Mit der Orientierung hatte es bei ihr noch nie geklappt.

»Tut mir leid«, murmelte sie. Polizisten jagten ihr noch immer einen Schrecken ein.

Besonders der junge Polizist, der gutaussehende in der Ecke, starrte sie an. Sie senkte den Kopf.

»Hab ich dich nicht schon mal irgendwo gesehen?« fragte er. Sharleen füllte weiter die Kaffeetassen. Sie meinte kess: »Bestimmt. Jedesmal, wenn du hier bist.«

»Ich meine vorher. Nicht hier.«

Sharleen wurde blaß. Sie versuchte, den Mann abzulenken. »Nein, Süßer, glaub ich nicht. An dich hätte ich mich erinnert.«

Der andere Mann am Tisch pfiff und lachte. Sharleen wollte gehen, doch sie wurde am Handgelenk zurückgehalten. »Und doch hab ich dich gesehen. Jede Polizeidienststelle im Land sucht nach dir.«

Sharleen wurde es eiskalt. »Nach mir?« wiederholte sie schwach. »Da müssen Sie sich irren.«

»Bestimmt nicht, Schatz. Ich hab dein Bild vor Augen. Die ganze Zeit. Auch die Kollegen von Bakersfield. Alle suchen nach dir.« Die beiden anderen lachten.

»Er ist verliebt«, meinte der Dicke gemütlich. »Kannst du das nicht sehen?«

Sharleen atmete tief durch. »Also wenn das so ist, dann bist du nicht allein. Ich liebe nämlich meinen Mann.« Damit kehrte sie in die Küche zurück.

Sie lehnte sich erschöpft an die fettige Wand der heißen Küche. Reiß dich zusammen, befahl sie sich. Vergiß Lamson. Das ist lang her und weit weg.

Sie machte sich wieder an die Arbeit, strich das feuchte Haar aus dem Nacken und begriff nicht, daß durch diese Bewegung ihre Bluse über der Brust gespannt wurde. Als sie die Arme wieder senkte, bemerkte sie einen anderen Mann am Ende des Tresens. Er starrte sie an. Lieber Gott, nicht noch einen, dachte sie. Warum ziehe ich bloß immer das Pech an? Sie seufzte, nahm die Speisekarte und ging zu ihm.

Er beobachtete sie genau. Doch er unterschied sich von den üblichen Gästen. Er war mindestens fünfzig, machte nichts her. Er hatte kleine Augen hinter dicken Brillengläsern, wirkte aber nicht so verbraucht wie die meisten Männer seines Alters. Sein schütteres Haar hatte er glatt zurückgekämmt. Er war tief sonnengebräunt. Das weiße, zerdrückte Leinenjackett hing lose über einem grauen seidenen T-Shirt. Kein Geschäftsmann, kein Handelsvertreter. Sharleen wußte nicht, welchen Beruf der Mann haben mochte. Doch er paßte nicht zu den Lastwagenfahrern.

»Möchten Sie die Speisekarte?«

»Nein, danke. Rührei, keinen Toast, keine Kartoffeln, einige Scheiben Tomate, schwarzen Kaffee.«

»Okay.« Sie wollte die Bestellung durchsagen, doch sie hatte das meiste schon vergessen. Als wandte sie sich noch einmal an den Mann. »Wie wollten Sie die Eier?« Hinter ihr stöhnte Jake hörbar. Lieber Gott, mach mich in deiner unermesslichen Güte zu einer besseren Kellnerin, betete sie schweigend.

Als Sharleen dann dem Mann sein Essen brachte, fand sie sogar Zeit, die Zuckerspender wieder aufzufüllen. Es wurde leerer, die meisten Gäste waren schon gegangen. Der Mann aß schnell und verlangte noch einen Kaffee. Sharleen bemerkte, daß er ihr Namensschild las.

»Sharleen ist ein hübscher Name. Sind Sie Schauspielerin, Sharleen?« fragte er.

Sie lachte. »Ich doch nicht! Nur Kellnerin.« Sie stellte die Kaffeekanne auf den Tresen. »Ich hab mal beim Rodeo gearbeitet. Das ist so was wie Show-Business, nicht?«

Der Mann lachte, aber nicht überheblich. »Ja, darauf läuft es wohl hinaus. Doch ich wollte wissen, ob Sie schon mal auf einer Bühne gestanden haben.«

Sie lachte wieder. »Nein.«

»Haben Sie nie Werbung gemacht oder einen Film?«

»Ich glaube, Sie träumen.«

»Ist Ihr Bild nie in einer Illustrierten erschienen?«

»Einmal hat mich jemand beim Rodeo fotografiert. Aber der hat mir nie einen Abzug geschickt. Nein, so was hab ich nie gemacht.«

»Möchten Sie es mal versuchen, Sharleen?«

Sharleen dachte nach. Sie wollte vermeiden, daß Jake wieder auf ihr herumhackte, weil sie zuviel mit den Gästen redete und zu wenig auf ihre Arbeit achtete. Doch dieser Mann interessierte sie. Er war so anders, sprach auch anders. Besser. Wie jemand mit Geld. Doch sie warnte sich. Sie mußte vorsichtig sein.

»Was führt Sie denn nach Bakersfield?« fragte sie ihn. »Suchen Sie Schauspielerinnen?«

»Das hatte ich eigentlich vor. Doch mein Wagen hat eine Panne. Ich warte darauf, daß mich jemand abschleppt.« Sharleen sah erst jetzt das weiße Mercedes Cabrio. Dean würde zehn Dollar dafür geben, es nur berühren zu dürfen. »Ich bin Milton Glick und suche Schauspielerinnen für eine Fernsehserie. Ich könnte mir denken, daß Sie für eine Rolle in Frage kämen. Sind Sie interessiert?« Er wartete, gab ihr Zeit, sich mit der Neuigkeit vertraut zu machen.

Der hält mich wohl für dümmer als Dean, dachte sie und wartete darauf, daß er ihr Reichtümer in Aussicht stellte. »Wieviel bringt mir das denn?« fragte sie.

Milton kippelte auf dem Stuhl. Ihm begann die Sache Spaß zu machen. »Viel. Mehr, als Sie sich je hätten träumen lassen.«

Sharleen kam einen Schritt näher. »Was muß ich tun, damit ich den Job bekomme?« fragte sie und verschränkte die Arme vor der Brust.

»Nichts.« Er stand auf und bezahlte seine Rechnung. »Sie brauchen nur nächste Woche in das Besetzungsbüro zu kommen und einige Leute kennenzulernen, die ich interviewen werde. Ich garantiere Ihnen nichts. Doch es ist möglich, daß Sie bei einer Fernsehshow mitmachen können.«

Glick gab Sharleen seine Karte. »Das ist kein Trick, Sharleen. Und Sie gehen auch keine Verpflichtungen ein.«

Sie nahm die Karte. »Okay, Mr. Glick. Wenn ich mich entschließe, eine Schauspielerin im Fernsehen zu werden, rufe ich Sie an.« Sie verließ den Gast, weil sie Jakes Vorwürfen zuvorkommen wollte.

»Überlegen Sie es sich, Sharleen«, rief Glick ihr nach. »Jedenfalls, wenn Sie sehr, sehr reich werden wollen.«

Die schoenen Hyaenen
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